Das Versagen des Aszendenten

Vom Ac ausgehend, wurde in der Antike der Kreis in 8, später dann in 12 gleich große, aequale Häuser oder Felder aufgeteilt. Heute existiert eine Vielzahl von konkurrierenden Systemen mit 12 Feldern variabler Größe, die auf jeweils systemspezifische Weise berechnet werden. Die große Anzahl der Systeme ist Ausdruck der Suche nach einem, das sichere Aussagen ermöglicht. Weitgehendes Einverständnis herrscht inzwischen nur darüber, welche Lebensbereiche und -themen mit welchen Feldern korrelieren, worauf sich also in ihnen stehende Planeten bevorzugt auswirken. Die Einteilung der Felder aber ist nach wie vor umstritten.

Auffällig ist besonders der große Spielraum bei der Interpretation der Felderstellungen. Die Stellung eines Planeten auf den letzten 5 Grad oder sogar 10 Grad eines Feldes darf in das folgende Feld „hineingedeutet“ werden, so, als stände der Planet in diesem Nachbarfeld. Ohne diese interpretatorische Freiheit ist eine sinnvoll erscheinende Deutung vieler Felderstellungen nur schwer möglich.

Diese Zweideutigkeit ist ein schwerwiegendes Indiz für einen Fehler in den Systemen mit variabler Feldergröße. Denn sie bedingt eine partielle Beliebigkeit der Deutung. Es bleibt den Interpreten überlassen, ob sie Mars im 12. Feld 5° vor dem Aszendenten als im 12. Feld stehend deuten oder ihn dem 1. Feld zuordnen. Abgesehen davon, dass diese erlaubte Willkür leicht den Verdacht provozieren kann, astrologische Deutungen würden möglicherweise Merkmalen des Horoskopeigners angeglichen, würden passend gemacht – von einem wirklich funktionsfähigen, zuverlässigen System ist Eindeutigkeit zu erwarten und zu fordern.

Michel Gauquelin stellte in seinen – wenn auch umstrittenen – Untersuchungen zu den Felderstellungen fest, dass eine gehäufte Stellung bestimmter Planeten bei Mitgliedern bestimmter Berufsgruppen besonders in den letzten Dritteln der Felder 12, 9, 6 und 3 anzutreffen ist. Das widerspricht völlig der astrologischen Erwartung von tendenziellen Häufungen in den Feldern 1 und 10. Um die Ergebnisse mit dieser Erwartung vereinbar zu machen, muss wiederum das „Hineindeuten“ ins nächste Feld zur Anwendung kommen, in diesem Fall bis zu 10° vor der Feldergrenze. Das bedeutet aber, klar und unbeschönigt ausgesprochen: Die Systeme nach Placidus und Koch versagen. Ihre Felder 9 und 12 sind offensichtlich gar nicht das 9. und 12. Feld.

Alle diese Feldersysteme sind aszendentenabhängig. Die Feldereinteilung beginnt mit dem 1. Feld am Aszendenten. Diese Tatsache legt es nahe, einige grundsätzliche Überlegungen zu dessen Funktion anzustellen. Denn wäre er gar nicht der Beginn des Felderkreises, läge darin möglicherweise die Erklärung für die unbefriedigende Funktion der Systeme.

 

Aszendent und geographische Breite

Die Schwierigkeiten bei der Feldereinteilung entstehen dadurch, dass ihr vermeintliches Ideal zwei verschiedenen Ebenen gleichermaßen gerecht werden soll. Das ist aber unmöglich: Da Ekliptik und Äquatorialebene der Erde in einem Winkel von 23,45° zueinander stehen, haben die 30°-Abschnitte des Tierzeichenkreises, auf die Äquatorialebene projiziert, in dieser Projektion zwangsläufig eine davon abweichende Größe. Alle Systeme wie das des Placidus, die die zwei Ebenen auf diese Weise zueinander in Beziehung setzen, können daher von vornherein nur eine beschränkt brauchbare Kompromisslösung sein. 

Infolge des mit zunehmender Entfernung vom Äquator größer werdenden Winkels zwischen Äquatorialebene und einer Linie zwischen Erdmittelpunkt und Aufenthaltsort, den Breitengrad definierend, verändert sich die Dauer, in der ein bestimmtes Tierkreiszeichen am Horizont steht, mit Zunahme dieser Entfernung ganz erheblich. Beispiele:

 

Nördl. Breite

Ac in L/A je

Ac in F/G je

Verhältnis

Kairo

30° (30,05)

85 Minuten

138 Minuten

1 :   1,6

Frankfurt/Main

50° (50,1)

56      “

167      “

1 :   3,0

Oslo

60° (59,9)

29      “

193      “

1 :   6,7

Kirkenes (Norwegen)

70° (69,7)

21      “

243      “

1 : 11,6

 

Bereits auf 50° nördlicher Breite wie in Frankfurt ist der Aszendent also täglich für je 167 Minuten in Jungfrau und Waage zu finden, aber nur für 56 Minuten in Fische und Widder. Auf der Südhalbkugel sind die Verhältnisse entgegengesetzt. An den Polen schließlich gibt es keine scheinbare Bewegung des Kreises mehr – am Nordpol stehen immer nur die Zeichen von Widder bis Jungfrau über dem Horizont, am Südpol die von Waage bis Fische. Niemals „geht“ eins von ihnen „auf“ oder „unter“. Ein Aszendent existiert nicht.

Dieser Sachverhalt hat zur Folge, dass in Norwegen weniger als 2% der Menschen bei Ac in Widder geboren werden, während im Süden Neuseelands die Menschen mit dem Ac Waage in der Minderheit sind. Umgekehrt überwiegen in hohen nördlichen Breiten Jungfrau und Waage deutlich, in hohen südlichen Fische und Widder.

In den Feldersystemen nach Placidus und Koch ist der Winkel zwischen MC und Ac variabel. Seine Schwankungsbreite beträgt

am Äquator

10°

(85°-95°),

auf 30° Breite

25°

(77,5°-102,5°),

auf 50° Breite

68°

(56°-124°),

auf 60° Breite

102°

(39°-141°),

jenseits des Polarkreises

180°

(0°-180°).

 

Daher liegt bei in Äquatornähe geborenen Menschen weit überwiegend ein Quadratverhältnis zwischen MC- und Ac-Zeichen vor. Jenseits des 46. Breitengrades sind aber bereits alle Verhältnisse von Halbesextil bis Quincunx möglich. In Oslo zum Beispiel steht der Ac fast ein Viertel der Zeit im Nachbarzeichen des MC oder im Nachbarzeichen von dessen Gegenzeichen. 

Zwischen MC-und Ac-Einflüssen besteht also in Nähe des Äquators fast immer ein Spannungsverhältnis, bei allen anderen sind demgegenüber mit zunehmender Entfernung vom Äquator trigonale und sextilische Synergien möglich. Die tägliche Dauer der Verhältnisse zwischen Ac- und MC-Zeichen (nicht zu verwechseln mit Aspekten zwischen Ac und MC!) in Stunden:

 

 

Quadrat

Trigon

und Sextil

Halbsextil

und Quincunx

 

am Äquator

   22,9

           1,1

               ---

auf 30° Breite

   17,1

           6,9

               ---

auf 50° Breite

     9,6 

         13,9

              0,5

auf 60° Breite

     7,1

         11,4

              5,5

 

In Frankfurt bilden die Zeichen von MC und Ac also in fast 14 von 24 Stunden ein Trigon oder Sextil, was bereits in Kairo nur noch für knapp 7 Stunden und am Äquator schließlich noch für 66 Minuten der Fall ist.

Einem Argument, das von Verteidigern variabler Felder gerne angeführt wird, ist damit die Grundlage entzogen: Es ist nicht nur eine zu vernachlässigende geringe Anzahl von Menschen vom Versagen inaequaler, Ac-abhängiger Systeme im dünn besiedelten „Hohen Norden“ betroffen. Denn die dargestellten Unterschiede wirken sich ganz massiv aus. So leben allein in Indonesien und Nigeria rund 400 Millionen Menschen in Äquatornähe, und ab 40° nördlicher Breite allein in Europa über 600 Millionen.

Inhaltlich bedeuten diese Unterschiede, dass die charakterliche Vielfalt unter den Menschen umso stärker sein müsste, je weiter entfernt vom Äquator sie geboren werden. Anders ausgedrückt und nur auf Europa bezogen: Unter Dänen, Schotten und Letten müsste die Variabilität der Charaktere erkennbar größer sein als unter Griechen oder Sizilianern. Das ist nun aber ganz offensichtlich nicht der Fall. Aus dieser Tatsache ergibt sich direkt:

Alle aszendentenabhängigen Feldersysteme mit variabler Feldergröße sind unsinnig, also auch die nach Placidus oder Koch. Sie werden der Realität nicht gerecht.

Damit ist natürlich noch nicht ausgeschlossen, dass der Aszendent eine Bedeutung hat. Nur ist es ganz sicher nicht die, die ihm derzeit unterstellt wird.

 

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      Der Autor dieser Seite:

      Bernt Hunze

 

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